An diesem Samstag stand der Besuch einer Stuttgarter Institution auf dem Programm: Die Wielandshöhe von Vincent Klink. Die Wielandshöhe und Vincent Klink kennen wahrscheinlich alle Stuttgarter*innen, auch wenn er oder sie sich nicht für Restaurants oder Fine Dining interessiert. Das liegt nicht nur an der Kochkunst, sondern auch an den Büchern und Fernsehauftritten von Vincent Klink. Auch gibt es die Wielandshöhe mit Vincent Klink bereits seit 1991. Sie ist mit einem Stern im Guide Michelin und zwei roten Hauben im Gault Millau dekoriert.
Dass der Küchenchef seit 2022 nicht mehr Vincent Klink ist, sondern Jörg Neth, der allerdings schon seit 2012 auf der Wielandshöhe arbeitet, wissen wahrscheinlich nur die wenigsten Stuttgarter.
Obwohl die Wielandshöhe so eine Institution ist, hatten wir bisher nie das große Bedürfnis, sie zu besuchen. Für mich stand die Wielandshöhe für Fine Dinding mit Kutteln oder Hirnsuppe. Erst durch ein lesenswertes Interview von Vincent Klink und Timo Hildebrand in der Stuttgarter Zeitung erfuhren wir, dass es auf der Wielandshöhe ein dezidiert vegetarisches Menü gibt. Zu unserer Verteidigung müssen wir allerdings sagen, dass man die Menüs der Wielandshöhe nicht auf der Homepage findet und der Hinweis auf das vegetarische Menü etwas versteckt ist.
Wielandshöhe, Stuttgart
Die Wielandshöhe liegt in der Halbhöhenlage von Degerloch. Mit der Zacke, die direkt vor der Haustür hält, kann man entspannt anreisen.
Bereits vor dem Haus fällt einem der tolle Ausblick auf Stuttgart auf. Die Begrüßung ist professionell und freundlich. Der Gastraum ist um sieben Uhr abends bereits gut gefüllt.
Wir bekommen – trotz Platz auf der Warteliste – einen Tisch direkt am Fenster und können uns den ganzen Abend an dem Ausblick auf Stuttgart erfreuen.
Der Speisesaal ist schön eingerichtet, klassisches Fine Dining. Tische mit schweren weißen Tischdecken, viele schöne Blumensträuße und Bilder mit Goldrahmen. Das alles wirkt aber nicht protzig, sondern angenehm zurückhaltend elegant. Die Atmosphäre im Restaurant ist bei unserer Ankunft sehr entspannt.
Der Service ist den ganzen Abend über aufmerksam und freundlich. Neben Sommelier Andreas Lutz ist vor allem Eva Klink eine sehr gute Gastgeberin. Aber auch Vincent Klink ließ es sich bei unserem Besuch nicht nehmen, an allen Tischen vorbeizugehen und die Gäste zu begrüßen. Anders als in den meisten Restaurants gibt es beim Servieren keine ausführlichen Erklärungen zu den einzelnen Gängen. Das ist auch nicht nötig, da man auch ohne Erklärung genau erkennen kann, welche Produkte auf dem Teller liegen.
Es gibt in der Wielandshöhe auch eine Weinbegleitung. Wir entscheiden uns an diesem Abend dafür, das Menü mit einer Flasche aus der umfangreichen Weinkarte zu begleiten und starten mit einer Spätfüllung Sauvignon Blanc von dem von mir aktuell heißgeliebten Weingut Tement aus Österreich.
Das Menü
In der Wielandshöhe gibt es eine umfangreiche à la carte-Auswahl, die allerdings keine vegetarischen Gerichte enthält; dafür aber die bereits erwähnten Kutteln. Außerdem gibt es ein Menü mit bis zu sechs Gängen, von denen einer ein klassischer Käsegang ist. Bei unserem Besuch stehen auch fünf vegetarische Gerichte (darunter ein Käsegericht) auf dem Menü. Auf Nachfrage wird uns erklärt, dass auch für Vegetarier ein sechster Gang angeboten wird.
Als kleinen Gruß aus der Küche (oder als „Soforthilfe“, wie Vincent Klink es bei uns am Tisch nannte) gibt es eine Käse-Quiche. Man merkt sofort, dass die Teller auf der Wielandshöhe nicht besonders dekoriert werden. Soßenkleckse, Tupfer und Spritzer sucht man in den Gängen vergeblich. Stattdessen gibt es eine Quiche, die wie ein Zwiebelkuchen gebacken wurde. Die schmeckt auch gut, mit feinem Käsearoma, aber der Boden ist mir etwas zu trocken.
Der erste Gang des Menüs besteht aus geschmorten Höri-Bülle-Zwiebeln mit Apfel-Schnittlauchvinaigrette. Die Höri-Bülle-Zwiebel ist eine besondere Zwiebelsorte vom Bodensee. Die Zwiebel hat einen Geschmack mit wenig Schärfe und einen sehr guten Gargrad, so dass sie sehr knackig ist. Dazu gibt es ein sehr gutes Kartoffelpüree und eine erfrischende, kräftige Vinaigrette mit Apfelstückchen und Schnittlauch, die man nach Belieben in die Schüssel löffeln kann. Hier bildet sich ein kräftiger Geschmacksmix, der aber immer wieder durch ein Löffel vom Püree gut aufgefangen wird. Das ist ein guter Anfang.
Der zweite Gang des vegetarischen Menüs besteht aus Spinatnocke mit Schönbucher Ziegenfrischkäse. Der Spinat schmeckt sehr intensiv mit einer ganz leichten Bitternote. Die Spinatcreme dazu ist sehr fein und cremig und harmoniert wunderbar mit dem Ziegenfrischkäse.
Die Wielandshöhe ist wahrscheinlich das erste Restaurant, in dem ich silberne Tellerhauben sehe. Die Hauben mögen antiquiert wirken, aber die Speisen kommen heiß auf den Tisch. Ob das an den Hauben liegt oder daran, dass in der Küche weniger angerichtet wird, kann ich nicht beurteilen. Auf jeden Fall weiß ich die heißen Speisen zu schätzen.
Als Ersatz für die „Bisque vom Helgoländer Hummer“ aus dem „normalen“ Menü gibt es heute eine Steinpilzconsommé, die nicht auf der Karte stand. Selten habe ich eine so dunkle und intensive Pilzconsommé gesehen. Sie schmeckt sehr intensiv. In der Suppe ist noch ein bisschen Gemüse. Das ist gut, mir aber etwas zu reduziert.
Als Hauptgang gibt es pochiertes Ei mit Spätburgunder-Schmorgemüse. Das ganze Gericht ist – auch dank des gusseisernen Pfännchens – sehr heiß. Das Schmorgemüse besteht unter anderem aus Schwarzwurzeln, Paprika und Karotten, dazu gibt es geröstetes Brot. Das Highlight ist die vegetarische Jus. Diese hat wenig Süße, dafür aber eine Intensität und Kraft, die man bei vegetarischen Jus selten findet. Wahrscheinlich hätte ich blind darauf gewettet, dass sie nicht vegetarisch sein kann. Das pochierte Ei ist eine nette Zugabe. Aber allein das Gemüse mit dem Jus ist fantastisch und steht stellvertretend für die Gerichte der Wielandshöhe. Klassische Hausmannskost auf sehr hohem Niveau ohne Chichi und Neuerfindungen. Für mich das Highlight des Abends.
Anschließend gibt es Käse von der Käserei Antony aus dem Elsass. Unter anderem gibt es drei Jahre gereiften Comté und Vacherin Mont-d’Or. Den Käse der Käserei Antony durften wir schon mehrmals probieren. Er ist über jeden Zweifel erhaben.
Als Nachtisch gibt es Pfitzauf Gewürzbirne mit Sauerrahmeis. Auf Empfehlung von Frau Klink erhalten wir neben der Kugel Sauerrahmeis auch eine Kugel Vanilleeis, die sie als Spezialität der Küche anpreist. Das Vanilleeis ist in der Tat hervorragend mit intensivem Vanillearoma und samtiger Konsistenz. Das warme Gebäck ist nicht gefüllt, sondern muss mit dem Eis und den sehr intensiven Birnen kombiniert werden. Dann entsteht ein wunderbares Geschmacksbild, das an klassische schwäbische Süßspeisen aus der Kindheit erinnert.
Zum Espresso gibt es noch einige schöne Petit Fours, die nicht besonders erläutert werden. Sie sind – soweit ich sie testen konnte – gut und runden den süßen Teil gut ab.
Fazit
Als wir am Ende des Menüs auf die Uhr schauen, sind fast fünf Stunden vorbei und die Zeit ist sprichwörtlich wie im Flug vergangen.
Das Essen in der Wielandshöhe ist sehr gut und eine willkommene Abwechslung zu den kreativen Experimenten in anderen Restaurants. Natürlich sind nicht alle Teller Instagram-tauglich. Aber darauf kommt es beim Essen meines Erachtens auch nicht an. Stattdessen bekommt man in der Wielandshöhe klassische Gerichte auf hohem Niveau und das sogar vegetarisch.
Hervorzuheben ist die Gemütlichkeit in der Wielandshöhe. Man merkt, dass es sich um einen Familienbetrieb handelt. Der Gastraum ist gediegen und elegant, aber nicht überladen, man sitzt sehr entspannt. Der Blick auf Stuttgart bei Nacht ist ein schönes Extra. Zweimal mussten wir den Wein selbst nachschenken, weil der Service anderweitig beschäftigt war. Ansonsten war der Service gut, unaufdringlich und freundlich. Insbesondere Frau Klink ist eine tolle Gastgeberin.
Ich bin froh, dass wir es endlich auf die Wielandshöhe geschafft haben. Denn jetzt weiß ich, dass es noch ein Restaurant in Stuttgart gibt, in dem man sehr gut vegetarisch essen kann.
Bewertung
- Essen 8/10
- Service 8/10
- Ambiente 8/10
- Gesamtwertung: 8/10
Anschrift
Wielandshöhe
Alte Weinsteige 71
70597 Stuttgart
wielandshohe.de