Durch Zufall bin ich Ende 2019 auf die Auberge Chez Guth in dem kleinen Ort Steige im Elsass gestoßen. Steige liegt jeweils 50 Minuten von Straßburg und Colmar entfernt in den Vogesen, in einem Teil des Elsass, den man als Tourist eher selten besucht. Laufkundschaft, wie etwa bei den vielen Restaurants an der elsässischen Weinstraße, gibt es kaum und auch die knapp 600 Einwohner von Steige werden es nicht schaffen das Restaurant regelmäßig zu füllen.
Gleichwohl hat das Ehepaar Guth bereits 2015 in einem renovierten Bauernhaus oberhalb des Ortes ein Restaurant eröffnet. Yannick Guth kocht zusammen mit seinem kleinen Team, während seine Ehefrau Emmanuelle Guth zusammen mit einer weiteren Mitarbeiterin den Service übernimmt.
Schon 2017 wurde Yannick Guth vom Gault Millau als „Jeune Talent 2017“ ausgezeichnet. Beim Gault Millau wird die Auberge Chez Guth aktuell mit 2 Hauben und 13/20 Punkten geführt. Seitdem ich die Auberge Chez Guth Ende 2019 das erste Mal besucht habe, beobachte ich bei der Vergabe der Michelin-Sterne in Frankreich, ob vielleicht auch dieses kleine Restaurant einen Stern bekommt. Aber bisher ist das nicht der Fall gewesen. Überraschenderweise führt der Guide Michelin das Restaurant auf seiner Homepage und schreibt dort „manches ist überraschend, alles ist gewagt…„. In meinen Ohren klingt der Satz etwas negativ, gerade im Zusammenspiel mit den drei Punkten danach. Dabei ist Kreativität und Überraschung das Markenzeichen von Yannick Guth. Bei jedem meiner Besuche wurde ich überrascht und ein bisschen gefordert. Beim ersten Besuch gab es erst ein Bier-Dessert und dann ein Spargel-Dessert. Das war dann vielleicht etwas zu viel der Kreativität. Aber es ist immer noch besser als die vierzehnte Variante desselben Gerichts zu servieren. Außerdem hat man in den letzten drei Jahren deutlich gemerkt wie sich das Restaurant gesteigert hat und es somit fast nur noch positive Überraschungen auf dem Tisch gibt.
Ein weiteres Beispiel: Als ich Anfang des Jahres mit Freunden in der Auberge Chez Guth war wurde im Fischgang „Hecht und Wels“ angekündigt. Auf dem Teller der Freunde lag dann ein Stück , welches wie ein Filetstück eines Fisches aussah. Aber es handelte sich dabei um eine Pastete aus Hecht und Wels, die als Filetstück drapiert wurde. Das Gericht war so gut und kreativ, dass die Freunde noch heute von dem Besuch schwärmen.
Auberge Chez Guth, Steige
Nach einer kurzen Fahrt von Steige den Berg hoch, bei der man sich mehrmals fragt, ob man noch richtig ist, erreicht man den Parkplatz der Auberge Chez Guth. Dort erwarten einen Kühe auf der Weide und die Übersicht der drei Menüs.
Während man die letzten Meter zum Restaurant zu Fuß erklimmt wird man von schnatternden Gänsen und ein paar Eseln begrüßt. Die Haltung der Tiere liegt auch in der Historie der Auberge begründet. Im Elsass gibt es noch einige „Ferme“. Es handelt sich dabei um Bauernhöfe in den Bergen, die ihre Produkte direkt verkaufen und teilweise eine kleine Gastwirtschaft betreiben. Auch bei der Auberge Chez Guth handelt es sich um eine alte Ferme, die vom Ehepaar Guth liebevoll renoviert wurde.
Der Innenraum ist eine schöne Kombination zwischen modernen, schlichten Stil und alten Bauernhaus. An einer Wand hängt ein Fahrrad und an der anderen ein kleiner Transportkran. Der Weg zu den wunderschön eingerichteten Toiletten gestaltet sich für Besucher teilweise etwas mühsam, denn die Tür muss mit einem Riegel geöffnet werden, woran viel Gäste beim ersten Mal oder mit steigendem Alkoholpegel scheitern.
Im Sommer kann man abends aus den Fenstern oder von der Terrasse einen tollen Ausblick auf die umliegenden Berge und das Tal genießen. Im Winter sieht man ein paar wenige Lichter und viele Sterne.
Das Menü
Man kann in der Auberge Chez Guth zwischen einem Drei-, Vier- und Sechs-Gang-Menü wählen und jeweils noch einen Käsegang dazu bestellen. Die Menüs heißen „Altitude 286“, „Altitude 350“ und „Altitude 534“ und sind – selbst für elsässische Verhältnisse – äußert fair bepreist. Für Vegetarier gibt es maximal vier Gänge zuzüglich Käse und das vegetarische Menü sollte bei der Tischreservierung vorab angegeben werden.
Bei schönem Wetter fragt einen der freundliche Service, ob man den Aperitif auf der Terrasse trinken möchte. Dort gibt es dann neben einem Gläschen elsässischen Cremant mit dem Haussirup auch die ersten Grüße aus der Küche. Diesmal gab es einen kleinen Kräcker mit Radieschen und ein Zwiebeleis, welches in einen ausgehölten Ast gefüllt wurde. Während der Kräcker etwas blass bleibt, zeigt das Zwiebeleis wohin die Reise geht. Ein kräftiges Aroma wird hier in der Eisform aufgefangen und passt wunderbar an diesem heißen Sommertag.
Nachdem ich ins Innere des Restaurants gewechselt bin, bekomme ich einen kleinen – noch warmen – Brotleib und etwas Kräuterbutter dazu. Das Brot ist so lecker, dass man aufpassen muss, dass man noch etwas Platz für das restliche Menü lässt.
Ich entscheide mich für das Vier-Gang-Menü mit vier Gläsern von der Weinbegleitung und wähle auch noch den Käsegang dazu.
Interessant ist, dass im Restaurant ausschließlich Französisch gesprochen wird. Während in fast jedem Restaurant im Elsass der Service meistens Deutsch und immer öfters auch Englisch spricht, muss man hier seine Schulfranzösischkenntnisse auspacken. Aber auch wenn man nicht immer alles versteht, ist der Service ausgesprochen herzlich und freundlich. Für eine gute Arbeitsatmosphäre spricht auch, dass die zweite Bedienung im Service seit meinem Besuch 2019 ununterbrochen in der Auberge Chez Guth arbeitet.
Als weiteren Gruß aus der Küche gibt es Karotteneis mit Safran, sowie Radieschen in einer Rettichcreme. An diesem Gang zeigt sich exemplarisch, die Küche von Yannick Guth. Er spielt gerne mit Gegensätzen: Süß und sauer, warm und kalt oder weich und hart. In diesem Gang ist es der Gegensatz des süßen Karotteneis gegenüber dem kräftigen Geschmack der Radieschen und dem vollmundigen Geschmack der Rettichcreme.
Als ersten Gang des Menüs gibt es Gurke, Pistazie, Feta und Tanne. Die Gurke stammt – wie viele der Gemüse – aus dem heimischen Garten der Guths und ist in dünne Streifen geschnitten. Die Pistazie findet sich in Form eines Eis auf dem Teller. Dazu wird ein Sud aus selbst gepflückten Tannennadeln aufgegossen. Das Gericht ist herrlich erfrischend. Das Pistazieneis harmoniert wunderbar mit der geschmacksintensiven Gurke. Auch der Tannennadelsud gibt eine intensive Note dazu und komplettiert ein richtig gutes Gericht.
In der Weinbegleitung wird dazu ein gut passender Chardonnay von der Domaine Paul Mas aus Languedoc-Roussillon eingeschenkt.
Der nächste Gang besteht aus Champignons, Buttermilch, Verveine und Rettich. In den knusprig gebackenen Teigstücken, stecken geschmacksintensive Champignonstücke, die wunderbar kontrastieren mit der säuerlichen Buttermilch. Das Geschmacksbild wird zusätzlich durch den eingelegten Rettich abgerundet. Es schmeckt nicht nur lecker, auch das Mundgefühl ist perfekt, wenn man diese Mischung aus den heißen Champignons und der kalten Buttermilch im Mund hat.
Dazu gibt es einen leckeren Marsanne aus dem Rhônetal.
Als Hauptgang folgt eine „Mélange du Jardin„, mit Blumenkohl, Lauch, kleinen Klecksen von Himbeere und einer Creme aus Blumenkohl. Auch wenn das Gericht optisch nicht ganz so viel hermacht wie die anderen Gänge, passt wieder alles. Der klein geschnittene Blumenkohl ist nur lauwarm, dafür ist die Creme sehr warm. Akzente werden durch die sauer-süßen Kleckse der Himbeere gesetzt, die ich im ersten Moment kurz für Ketchup hielt. Der Service hält dazu an das Gericht gut durchzumischen, was – wenn man den Tipp befolgt – ein herrliches Geschmackserlebnis zu Tage führt. Auch bei diesem Gang zeichnet sich das Gericht nicht nur durch einen tollen Geschmack, sondern auch ein herrliches Mundgefühl aus, wenn man den Löffel mit der „Mélange“ isst.
In der Weinbegleitung gibt es einen sehr passendenden Sauvignon Blanc von der Domaine Yvon & Pascal Tabordet aus dem Weinbaugebiet Pouilly-Fumé in der Loire.
Der Käsegang ist klassisch und enthält unter anderem Comte, Ziegenkäse und den obligatorischen Munster aus dem Elsass. Ich bestelle dazu noch einen Pinot Noir aus dem Burgund von dem Weingut Roux Pere et Fils (Rully Rouge).
Als Dessert wird eine Aprikosentarte mit Salbeieis und Zitrone serviert. Die Aprikosen verstecken sich zahlreich unter dem schwarzen Cracker und befinden sich in einer klassischen elsässischen Tarte. Das Salbeieis ist herrlich intensiv, die gelben Kleckse bestehen aus Zitrone. Auch beim Dessert spielt Yannick Guth perfekt mit der Mischung aus süß und sauer. Die Aprikosen haben eine leichte Säure, die von dem Salbeieis aufgefangen wird oder durch die Zitrone noch etwas verstärkt wird. Ein wunderbares Dessert ganz ohne Schokolade oder Vanille.
Dazu gibt es einen Süßwein aus der Region Coteaux d’Ancenis.
Der Service fragt zum Abschluss, ob ich den Espresso auf der Terrasse trinken will. Draußen ist die Temperatur mittlerweile angenehm, es gibt viele Sterne zu sehen und einen tollen Einblick in das hell beleuchtete Restaurant. Dazu wird noch ein kleines Zwetschgenküchlein und eine Art Eiskonfekt mit wunderbaren Kakaoaroma gereicht. Gerade letzteres ist einfach perfekt.
Fazit
Es ist wahrscheinlich bereits im Laufe des Lesens dieses Berichts klar geworden, dass ich von der Auberge Chez Guth begeistert bin. Die Anfahrt in das kleine Vogesendorf, die Tiere im Garten, das wunderschöne Bauernhaus und der herrliche Ausblick sind fast bereits genug Gründe für einen Besuch. Aber es ist vor allem die Kreativität und die – auf den ersten Blick manchmal sogar abwegig anmutenden – Einfälle der Küche, die jeden Besuch zu etwas Besonderem machen. Vielleicht muss man für den Besuch ein kleines bisschen mutig und vor allem offen sein, aber dafür wird man mit besonderen Geschmackserlebnissen belohnt.
Ich drücke der Auberge Chez Guth auf jeden Fall fest die Daumen, dass demnächst auch der Guide Michelin erkennt, dass die „Wagnisse“ eine Bereicherung sind und in diesem Restaurant mindestens auf Ein-Sterne-Niveau gekocht wird. Denn mit einem Stern wird es sicher noch etwas leichter die Besucher in diesen Teil des Elsass zu locken. Aber vor allem kommen dann noch mehr Menschen in den Genuss der wunderbaren Kreationen von Yannick Guth.
Bewertung
- Essen 8,5/10
- Service 8/10
- Ambiente 8/10
- Gesamtwertung: 8/10
Anschrift
Auberge Chez Guth
5A rue du bas des monts
67220 Steige
Frankreich
auberge-chez-guth.fr