Wir sind zwar schon oft am Lindenmuseum vorbeigefahren, aber dem dort befindlichen Restaurant haben wir bisher keine große Beachtung geschenkt. Doch seit einem Jahr hören wir aus ganz verschiedenen Ecken immer wieder Empfehlungen für das Hegel Eins. Teilweise wurde das Hegel Eins schon als Kandidat für einen Michelin-Stern gehandelt, was in diesem Jahr aber (noch) nicht geklappt hat. Nach mehrmaligen Anläufen haben wir es schlussendlich geschafft und waren am Samstag endlich zu Besuch.
Hegel Eins, Stuttgart
Gourmetrestaurants in Museen sind in Deutschland eher eine Seltenheit. Im Ausland ist das jedoch üblich, teilweise gibt es in Museen sogar Sternerestaurants. Gleichwohl fühlt es sich etwas seltsam an kurz nach Schließung des Lindenmuseums das Gebäude zu betreten und durch die verwaiste Eingangshalle zu laufen.
Das Hegel Eins ist eher klein, ein Raum mit sieben bis neun Tischen sowie einer Bar. Das Restaurant ist schön eingerichtet. Man vergisst fast sofort, dass man sich eben noch in dem mit Linoleum ausgelegten Eingangsbereich eines Museums befunden hat. Zwar gibt es im Hegel Eins keine Tischdecken und keine weißen Handschuhe beim Personal, aber die gesamte Einrichtung macht natürlich klar, dass wir uns hier im Bereich des Fine Dining bewegen. Einzig die Toiletten erinnern kurz daran, dass man sich in einem etwas ungewöhnlichen Ort befindet. Man benutzt nämlich die normalen Museumstoiletten und diese haben eben den Standard von deutschen öffentlichen Museumstoiletten.
Dass man sich im Hegel Eins sofort wohl fühlt, liegt vor allem am Gastgeber Jan Tomasic. Ein freundlicher, lockerer und angenehmer Zeitgenosse, der die absolute Idealbesetzung für diese Position ist. Es ist bewundernswert wie Herr Tomasic mit nur geringer Unterstützung aus der Küche den ganzen Abend alle Tische bedient und unterhält und dabei scheinbar nie in Stress gerät. Wir hatten schon im Vorfeld Lobenshymnen auf Herrn Tomasic gehört und diese sind nicht untertrieben.
Das Menü
Im Hegel Eins gibt es keine Karte, sondern ein Überraschungsmenü. Dieser Omakase-Ansatz hält immer mehr Einzug im Bereich Fine Dining. Das gibt der Küche mehr Möglichkeiten kurzfristig auf Zutatenänderungen und neue Ideen zu reagieren.
Man kann zwischen fünf und sieben Gängen wählen. Und es gibt – bei vorheriger Anmeldung – auch ein vegetarisches Menü. Eine Weinbegleitung gibt es nicht, dafür eine kleine aber feine Weinkarte mit sehr fair bepreisten Weinen. Nach einem leckeren Cava, starten wir mit einem Chardonnay & Weißburgunder vom wunderbaren Weingut Knipser aus der Pfalz.
Zum Start gibt es Brot mit einer selbst gemachten Miso-Butter und wunderbarem Olivenöl aus Andalusien.
Anders als in den meisten Gourmetrestaurants gibt es ansonsten keine Grüße aus der Küche. Es geht vielmehr direkt los mit dem Menü. Wir haben uns am Tisch für das Fünf-Gang-Menü entschieden.
Als ersten Gang gibt für den ganzen Tisch (also auch für unsere Begleitung, die das „normale“ Menü gewählt hat) das selbe Gericht, welches als vegan angepriesen wird.
Unten in der Muschelschale findet sich ein selbst gemachter Seidentofu, darauf ein Shiitake Dashi, Algen, Bergamotte, Meeresfenchel (Passe Pierre) und ein Soja-Gel. Der Tofu hat nichts mit dem industriellen Tofu zu tun, den man im Supermarkt kaufen kann. Vielmehr hat der Tofu einen eigenen, leicht nussigen Geschmack und auch eine sehr viel angenehmere Konsistenz, die fast an Eierstich erinnert. Die anderen Zutaten rücken den Gang in eine Meeresrichtung, die sehr frisch und salzig daher kommt. Ein schöner Start.
Beim zweiten Gang zucke ich kurz zusammen. Denn unser Teller sieht fast so aus wie der Teller mit dem Fisch bei unseren Freunden. Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass nur der Fisch mit einer Karotte ausgetauscht wurde. Aber auf den zweiten Blick bemerkte ich doch einige Unterschiede. Ich habe immer etwas Sorge, dass beim vegetarischen Menü nur das Fisch oder das Fleisch durch ein Gemüse ersetzt wird, was oft für mäßige Ergebnisse sorgt.
Der Teller sieht zauberhaft aus. Die „Steine“ sind mit Yuzu, dazu gibt es Blumenkohl, Pilze, Lotus, Rettich, Gurke, ein Gurken-Espuma und eine Dashi-Brühe. Viele einzelne Komponenten sind lecker, aber so ganz wird mir die Konzeption des Tellers nicht klar. Ich finde bei solchen bunten Tellern besteht die Gefahr, dass man sich im Klein-klein verliert. So leider auch hier.
Der dritte Gang unterscheidet sich dann deutlich vom „normalen“ Menü und ist wirklich genial. In dem Küchlein findet man Bratkartoffeln, die von geschmolzenem Blauschimmelkäse (Fourme d’Ambert) bedeckt werden und mit Birne verfeinert sind. Der Crunch um das Törtchen herum ist aus Wermut hergestellt. Der Sud besteht wiederum aus Kartoffel mit Liebstöckel und Estragon.
Käse und Kartoffel funktioniert natürlich exzellent, dass weiß jeder, der mal ein Kartoffelgratin gegessen hat. Aber hier wird dieses einfache Gericht auf perfekte Weise veredelt. Der Blauschimmelkäse ist nicht zu dominant, sondern gut angepasst. Auch wenn ich den Wermut nicht herausgeschmeckt habe, ist das ein hervorragender Gang und mein Lieblingsgang des Abends.
Als vierten Gang und quasi „Hauptgericht“ folgt Topinambur in verschiedenen Texturen. Einmal findet man zwei geschmorte Scheiben Topinambur, dann ein Püree, sowie sogar Topinambur-Öl. Man könnte jetzt erwarten, dass der Gang eher langweilig ist, weil sich alles nur um Topinmabur dreht. Aber tatsächlich wird so die Vielfalt dieses Gemüses sehr betont. Die geschmorten Scheiben schmecken kräftig, fast schon leicht fleischig. Dagegen hat das Püree eine angenehme Süße. Wiederum ein sehr guter Gang und eine beindruckende Kreativität.
Als letzten Gang und Dessert gibt es Variationen von Erdbeeren, Jogurt und Rhabarber. Man findet ein Jogurt-Eis, Erdbeersud, Erdbeerkernöl, einen Jogurt-Schwamm und ein Gelee aus Buttermilch. Wie schon beim zweiten Gang besteht bei dieser Komposition die Gefahr, dass die einzelnen Komponenten zwar wunderschön aussehen, aber sich nicht harmonisch zusammenfügen. Das ist hier ganz anders. Egal wie man den Löffel ansetzt, man erhält immer eine schöne Mischung aus den fruchtigen Erdbeeren, dem milden Jogurt und dem etwas kräftigeren Rhabarber. Ein schöner Abschluss.
Petit Fours oder sonstige Kleinigkeiten gibt es – wie schon am Anfang des Menüs – nicht. Aber dafür erhalten alle Gäste zum Abschied eine kleine Überraschung und eine wunderbare Geschichte dazu.
Fazit
Der Besuch im Hegel Eins hat sich gelohnt. Es gibt wunderschöne und kreative sowie leckere Gerichte. Man merkt, dass sich die Küche zum vegetarischen Menü ebenfalls viele Gedanken gemacht hat und keinen Abklatsch des „normalen“ Menüs abliefert. Dazu findet man im Hegel Eins einen wirklich tollen Gastgeber. Im Hegel Eins kann man gut essen gehen und vor allem den Abend in vollen Zügen und entspannter Atmosphäre genießen.
Anzumerken ist, dass sich das Preisniveau des Menüs auf Ein-Sterne-Niveau befindet. Das Hegel Eins liegt deutlich oberhalb der Konkurrenz im Bereich „Kurz-Vor-Sterne-Restaurant“. Dafür ist die Weinkarte wiederum sehr fair bepreist und gleicht den Menüpreis fast aus.
Wir werden das Hegel Eins auf jeden Fall wieder besuchen. Für uns war es eine schöne „Neuentdeckung“ in der Stuttgarter Restaurantlandschaft.
Bewertung
- Essen 8/10
- Service 9/10
- Ambiente 8/10
- Gesamtwertung: 8/10
Anschrift
Hegel Eins
Hegelplatz 1
70174 Stuttgart
hegeleins.de