Es ist immer wieder spannend, wenn man in einer Stadt zum ersten Mal nach vegetarischen Restaurant sucht. Während ich beispielsweise in München den Eindruck hatte, dass die Auswahl von gehobener Küche mit vegetarischem Angebot eher gering ist, empfand ich in Leipzig die Auswahl deutlich umfangreicher (wir waren im wunderbaren Zest Restaurant, über das wir leider keinen Bericht schreiben konnten). Für Hamburg gab es ebenfalls bei der Suche ein paar schöne Auswahlmöglichkeiten. Während der Ein-Sterner Zeik ein vegetarisches Menü anbietet, gibt es im ebenfalls einfach besternten Landhaus Scherrer sogar ein veganes Menü. Das mit zwei Sternen geschmückte 100/200 Kitchen hatte bis Ende Oktober 2022 ebenfalls ein komplett vegetarisches Menü angeboten, aber unser Ausflug war erst für November geplant. Einen besseren Bericht über das vegetarische Menü im 100/200 Kitchen als Herr Julien Walther von Trois Etoiles hätten wir wahrscheinlich ohnehin nicht schreiben können.
Wir haben uns dann aufgrund des interessant klingenden Menüs nicht für die zwei oben genannten Restaurants entschieden, sondern für das Restaurant Heimatjuwel in Hamburg-Eimsbüttel. Das Heimatjuwel hat zwar keinen Michelin-Stern, ist jedoch mit 7 Pfannen im Gusto und zwei roten Kochmützen im Gault Millau geschmückt.
Heimatjuwel, Hamburg
Aktuell ist vor dem Restaurant ein Baugerüst aufgestellt, aber der schöne und gemütliche Innenraum des Restaurants ist davon nicht beeinträchtigt. Ein bisschen fühlt es sich beim Betreten des Restaurants an als ob wir bei Freunden zum Abendessen eingeladen wären. Daran hat die freundliche Begrüßung und die geschmackvolle Inneneinrichtung einen großen Anteil. Das Heimatjuwel verzichtet – dem Trend entsprechend – auf Tischdecken und großes „Chichi“ was zur Gemütlichkeit beiträgt. Überraschend ist, dass der Altersdurchschnitt an diesem Abend deutlich niedriger ist, als dies üblicherweise in den meisten Sterne-Restaurants der Fall ist.
Das Konzept des Heimatjuwels beim Menü ist interessant. Es gibt nicht ein „normales“ Menü und ein vegetarisches Menü. Vielmehr ist das fünf Gänge-Menü grundsätzlich vegetarisch. Man kann sich lediglich beim Hauptgang für einen Gang mit Fleisch oder Fisch entscheiden. Wer möchte kann auch sechs Gänge essen und bekommt dann den zweiten Hauptgang noch dazu. Beim letzten Gang kann man sich zudem zwischen einem Käse-Gang und einem süßen Dessert entscheiden (aber nicht für beide).
Das Menü wird in einer kleinen Holzrolle präsentiert. Wir entscheiden uns für das Fünf-Gänge-Menü „Heimat“ mit dem vegetarischen Hauptgang und dem süßen Dessert. Zudem wählen wir die Weinbegleitung, die im Wesentlichen aus Naturweinen besteht.
Das Menü
Das Menü startet mit „Kartoffel-Sauerteigbrot mit Champignontunke„. Es wird immer viel darüber geschrieben wie toll ein gutes Brot mit Butter sein kann, aber es stimmt halt auch. Vielleicht ist diese Champignonsoße sogar noch einen Tick besser als Butter. Die Soße in die man das Brot, bei dem man die Kartoffelstücke noch gut erkennen kann, tunkt, besteht gefühlt nur aus Luft, aber mit einem herrlich intensiven Geschmack nach frischen Champignons. Eine schöne Einstimmung nach der langen Bahnfahrt von Stuttgart.
Als nächstes folgen „Snacks aus dem Gemüsegarten„. Diese Snacks bestehen aus einem Gebäckkörbchen mit Rotkraut, einem Kracker mit Lauch und Schmand sowie einem Knäckebrot mit Zwiebelcreme. Das Rotkraut ist schön intensiv und das Gebäck knackig. Der Kracker mit Lauch ist etwas lätschig, aber schmeckt intensiv nach Lauch. Das Zwiebelcremeknäckebrot ist ebenfalls lecker.
Als erster Gang des Menüs wird „PURPURROT – Variation von Bunten Beten“ serviert. Ganz unten findet man ein Rote-Bete-Tatar getoppt von Mayonnaise und oben drauf eine gebackene gelbe Bete. Das alles schwimmt in einem herrlich duftenden Zwiebelsud. Die Idee mit dem Rote-Bete-Tatar ist jetzt nicht originell, aber schön und lecker umgesetzt. Das Highlight ist der Zwiebelsud der wunderschön mit der Bete harmoniert.
Dazu gibt es einen passenden Cuvée mit dem Namen Stratos vom Weingut Thomas Straka aus Österreich aus dem Jahr 2020.
Der zweite Gang nennt sich „KASTANIENBRAUN: Brot | Pilze | Eigelb„. In dem kleinen Schälchen findet sich ein Espuma aus Brot, confiertes Eigelb, geschnittene Pilze und Brunnenkresse. Die Kombination aus Eigelb und Pilzen ist meistens gut und so auch hier. Ein leckerer Gang mit geschmackvollen Pilzen, einer schönen Cremigkeit und einem kleinen Brotcracker für den krossen Effekt, stimmt mich zufrieden.
Der dazu servierte Grauburgunder „Réserve“ vom Weingut Bietighöfer aus 2021 passt dazu ganz gut.
Der nächste Gang wird als „KORALLENORANGE: Kürbis | Fermentierter Spargel | Molke“ angekündigt. In der Schale findet sich ein gegrillter Kürbis auf dem sich einiger Spargelstücke finden, darauf ist ein wunderschöner Kürbis-Ravioli drapiert. Das alles wird in einer Creme aus Molke serviert. In einem Glas wird dazu eine Kürbissuppe gereicht. Beim Studium des Menüs fand ich diese Kombination besonders interessant. Leider schmeckt der gegrillte Kürbis eher langweilig, ebenso wie überraschenderweise der Ravioli. Die Säure der Molke ist zwar für sich interessant, passt aber meines Erachtens nicht zum Kürbis. Die Kürbissuppe ist lecker, steht aber für sich ohne Bezug zum restlichen Gang.
Auch der dazu servierte Chardonnay vom Weingut Wernersbach ist nicht ganz mein Fall.
Als kleinen Gang vor dem Hauptgang gibt es „Mais | Kaffee | Mimolette„. Der Maisschaum mit Käse ist ausgesprochenen lecker. Bei einem insgesamt durchaus reichhaltigen Menü hätte ich mir an dieser vielleicht etwas eher auflockerndes und weniger schweres gewünscht. Das ändert aber nichts am guten Geschmack dieses Zwischengangs.
Spannend klingt der Hauptgang, der mit „STEINPILZBRAUN: Kartoffel „Gulasch Art““ angekündigt wird. Dabei handelt es sich um ein Paprikaragout auf dem sich eine Art Kartoffelgratin findet. Der Gulasch-Teil wird durch eine vegetarische Gulaschsoße mit allerlei Gulaschgewürzen vertreten, zudem findet sich noch ein Zitronengel am Rand. So spannend der Hauptgang klang, so langweilig fand ich die Ausführung. Kartoffelgratin und Paprikaragout waren okay, aber nicht bemerkenswert. Das Zitronengel passte überhaupt nicht dazu und bei der vegetarischen Soße fehlte mir leider der Pepp.
Vielleicht war ich aber auch einfach schon satt, denn der dazu servierte Weiße Burgunder Rosengarten vom Weingut Stefan Meyer war deutlich zu säurebetont und überhaupt nicht mein Fall.
Als Pre-Dessert gab es ein „Karottensorbet mit Karottenchip“ , welches sehr lecker schmeckte.
Das Dessert steht mit „GOLDORANGE: Sanddorn | Schokolade | Dill“ auf der Karte. In dem gelben Bällchen findet sich weiße Schokolade mit Sanddorn-Klecksen herum, dazu gibt es ein Dill-Granité und unter dem gelben Bällchen noch ein Dill-Biskuit. Das Dessert war sehr gut, was am präzisen Einsatz der weißen Schokolade lag, die toll mit dem besonders intensiven und leicht säuerlichen Geschmack des Sanddorns und dem neutralisierenden Dill-Granité harmonierte. Ein leichter und fruchtiger Abschluss zum Schluss. Dazu gab es eine Spätlese vom Weingut Salzl.
Von dem „Naschkram“ in Form von drei Leckereien aus Mandel-Kaffe-Spekulatius, einer Birnen-Madeleine und einer Praline mit weißer Schokolade mit Kürbiskernöl habe ich leider vergessen ein Foto zu machen. Dabei stach vor allem der Snack mit Mandel-Kaffe-Spekulatius heraus.
Fazit
Ein netter Abend im „Wohnzimmer von Freunden“ ging damit zu Ende. Man kann sich wunderbar vorstellen, dass das Heimatjuwel für einige Hamburger ein beliebtes Stammrestaurant ist. Ich fühlt mich dort sofort wohl und die unprätentiöse Art und Einrichtung unterstützt dies sehr gut.
Das Menü hatte ein paar gute Momente, wie bei dem Gang mit der roten Bete oder dem leckeren Mix aus Brot, Pilzen und Eigelb. Bei den anderen Gängen fehlte mir ein bisschen das besondere und überraschende Element oder die kreative Ausführung.
Insgesamt hatten wir dennoch einen schönen Abend im Heimatjuwel von dem mir wahrscheinlich vor allem die luftige Champignonsoße zum Brot mit dem wunderschönen Begriff „Tunke“ in Erinnerung bleiben wird.
Bewertung
- Essen 7/10
- Service 8/10
- Ambiente 8,5/10
- Gesamtwertung: 7,5/10
Anschrift
Heimatjuwel
Stellinger Weg 47
20255 Hamburg
Heimatjuwel.de