Es ist Freitagabend und ich sitze im Le Cerf. Das Le Cerf ist mit 2 Sternen im Guide Michelin, 3 roten Hauben im Gault&Millau und 8 Pfannen im Gusto ausgezeichnet. Es ist das Gourmetrestraurant des Wald- und Schlosshotels Friedrichsruhe in Zweiflingen.
Küchenchef im Le Cerf ist Boris Rommel. Er hat 2016 im Le Cerf ein großes Erbe angetreten. Bis 2008 war Lothar Eiermann Küchenchef im Le Cerf. Eiermann stand – ähnlich wie Eckart Witzigmann – für die Nouvelle Cuisine in Deutschland und war bis zu seinem Tod einer der großen Namen der deutschen Kochszene.
Über Boris Rommel gibt es einen interessanten Bericht in der wunderbaren Dokumentarserie Am Pass. Spätestens seit diesem Beitrag wollte ich das Le Cerf besuchen. Aber irgendwie kam immer etwas dazwischen, mal hatte das Restaurant samstags nicht geöffnet, mal war wegen Urlaubs geschlossen, mal wurde ich kurz vorher krank. Aber heute ist es endlich soweit.
Le Cerf, Zweiflingen
Das Le Cerf befindet sich im Haupthaus des Wald- & Schlosshotels Friedrichsruhe. Im Hotel gibt es neben dem Le Cerf und dem Hauptrestaurant noch die Jägerstube und die Waldschänke. Genug Auswahl also auch für einen längeren Aufenthalt.
Das Restaurant ist klassisch eingerichtet. Schwerer Teppichboden, dunkle Holzvertäfelung, gläserne Kronleuchter und weiße Tischdecken prägen das Bild. Die Bedienung trägt Krawatte, Anzug und Lederschuhe. Der erste Eindruck: Klassisches Fine-Dining, wie man es immer seltener findet.
Das Menü
Im Le Cerf gibt es ein omnivores Menü (6 Gänge) und ein vegetarisches Menü (5 Gänge). Das vegetarische Menü ist immer verfügbar, kann im Voraus auf der Homepage eingesehen werden und muss nicht vorbestellt werden. Überraschenderweise gibt es sogar ein veganes Menü, das aber einen Tag vorher bestellt werden muss. Perfekte Bedingungen also für mich.
Ich entscheide mich für einen Sekt No. 531 vom Weingut Aldinger und natürlich für das vegetarische 5-Gänge-Menü. Erst auf Nachfrage erfahre ich, dass es auch eine Weinbegleitung gibt, die ich ebenfalls wähle.
Der erste Gruß aus der Küche besteht aus Karotte, Zitrone und Ziegenkäse. Die fein geschnittenen Karottenstreifen werden mit Zitrone beträufelt und bieten zusammen mit dem Ziegenkäse ein frisches und knackiges Geschmackserlebnis.
Der zweite Gruß aus der Küche besteht aus Fisch und Kaviar. Auf meinen Hinweis, dass ich Vegetarier bin, gibt es keinen Ersatz, sondern es geht mit der dritten Gruß weiter. Kein perfekter Start für den Service, aber die Entschuldigung ist ehrlich gemeint.
Der nächste Gruß ist eine Pilzessenz mit schwarzem Trüffel und Wachtelei. Die Pilzessenz schmeckt sehr intensiv nach Wald und Pilzen und das Wachtelei mit Trüffel passt natürlich sehr gut dazu. Ein vielversprechender Anfang.
Serviert wird der Gruß von Boris Rommel persönlich. Er ist den ganzen Abend im Service, erklärt die Gerichte und Produkte und kümmert sich liebevoll um die Gäste. Seine höfliche und lockere Art überträgt sich auf die Gäste. Keinen Moment lang wirkt der Abend in diesem edlen und förmlichen Ambiente steif. Und ich glaube, daran hat Boris Rommel einen großen Anteil, nicht nur weil er als einziger Turnschuhe trägt.
Der nächste Gruß ist Fichteneis mit eingelegtem Spargel und Rapsöl. Das Fichteneis ist toll, schmeckt aber nicht ganz so intensiv wie in der Villa René Lalique. Das Highlight ist der noch vom letztem Jahr eingelegte Spargel, der ein sehr intensives Aroma hat.
Sehr erfreulich ist, dass zu den Grüßen aus der Küche auch ein Wein gereicht wird, obwohl das gar nicht auf der Weinbegleitkarte steht. Der 2021er Arbois der Domaine du Pélican passt mit seiner exotischen Fruchtnote gut dazu.
Als letzten Gruß gibt es Dreierlei vom Sellerie mit Estragonöl und Chip. Ganz genau kann ich es nicht herausschmecken, aber der Sellerie ist klein geschnitten und befindet sich als eine cremige, wohlschmeckende Masse unten in der Schale. Das Estragonöl schmeckt intensiv nach Kräutern.
Die drei verschiedenen Brotsorten werden mit Shiitake-Creme, Öl, Salz und Butter mit Kerbelöl serviert. Laugenbrötchen habe ich noch nie in einem Sternerestaurant serviert bekommen. Als Schwabe kann ich nicht widerstehen und genieße daher das hervorragende Laugenbrötchen mit der guten Butter und der leckeren Shiitake-Creme. Außerdem gibt es noch Sauerteigbrot und ein Brot mit eingebackenem Käse.
Der erste Gang heißt auf der Karte Topinambur, Mandarine und Arganöl. Topinambur findet sich einmal als weiße Creme und einmal als „Salat“ unter der Creme. In der Creme steckt eine Art Früchtebrot und daneben findet sich dann Mandarine als Klecks und halbiert. Auch hier zeigt sich, was sich schon bei den Grüßen aus der Küche angedeutet hat. Die Küche konzentriert sich auf einzelne Produkte und deren Geschmack. Selten habe ich den Geschmack von Topinambur so intensiv erlebt wie in diesem Gang. Die Topinamburcreme mit dem Topinambursalat und dem Früchtebrot ist schon perfekt, aber in Kombination mit der Mandarine kommen bei mir Assoziationen zu einem fruchtigen Salat im Sommer auf. Schönes Gericht.
Der erste Wein in der Weinbegleitung ist ein Riesling „Natur“ vom Weingut Daniel Schweizer aus Württemberg. Der Naturwein schmeckt mir gut und ist schön kräftig.
Der nächste Gang ist Rotkohlessenz, Sauerrahm, Estragon und Walnuss. Leider ist beim Aufgießen der Rotkohlessenz das schöne Röllchen umgefallen, aber das tut dem Geschmack keinen Abbruch. Auch hier ist der Star schnell ausgemacht. So intensiv wie in dieser Rotkohlessenz hat Rotkohl noch nie geschmeckt. Die Walnuss und die saure Sahne gehen etwas unter, sorgen aber für einen schönen Crunch.
Zum zweiten Gang gibt es gleich einen Rotwein. Der Löwengang vom Weingut Alois Lageder aus Südtirol ist nicht ganz mein Fall. Aber ich freue mich trotzdem, dass meine Wünsche erhört wurden und es in der Weinbegleitung zum vegetarischen Menü einen Rotwein gibt.
Als nächster Gang wird Knollensellerie „Carbonara“, Eigelb und Pecorino serviert. Auf einem großen Stück Pecorino befinden sich in einem Loch Tagliatelle aus Teig und Sellerie. Diese werden mit einer Käsecreme mit Eigelb übergossen und obenauf findet man noch ein ganzes Eigelb und Pecorino-Chips. Dazu gibt es geräucherte und glasierte Shiitake-Pilze.
Das Gericht ist einfach pervers, aber ich meine das liebevoll. Natürlich sind das erst einmal gute Zutaten mit viel Fett und Ei. Aber die Kombination ist schon etwas Besonderes. Die Shiitake-Pilze schmecken fast ein wenig fleischig, was perfekt zur deutschen Vorstellung von Carbonara passt. Die Sellerie-Nudeln sind deutlich herauszuschmecken und bieten einen schönen erdig-aromatischen Kontrast. Die perfekte Pasta.
Der 2023er Pecorino vom Weingut Agricola Tiberio aus den Abruzzen geht neben diesem intensiven Gericht leider unter.
Als Hauptgang gibt es Kartoffel-Mille-Feuille, Goldkäppchen und rote Zwiebel. Die Kartoffel wurde fein geschnitten, gekocht und dann wie bei einem klassischen Mille-Feuille-Kuchen mehrfach geschichtet und schließlich gebacken. Allein dieses Kartoffel-Mille-Feuille mit etwas grobem Salz ist perfekt, so kartoffelig, erdig und lecker. Ich hätte mich nicht beschwert, wenn sonst nichts auf dem Teller gewesen wäre. Aber die Zwiebeln und die Goldkäppchen-Pilze sind eine willkommene Ergänzung, wie bei einer klassischen Fleischbeilage. Ein toller Abschluss.
Der dazu gereichte Weißburgunder vom Weingut Claus Preisinger aus Pannobile hat wenig Kraft und schmeckt fast etwas wässrig. Leider nicht mein Fall.
Als Pre-Dessert gibt es ein Ragout mit karamellisierten Äpfeln, Philadelphia-Eis und Topfen-Schaum. Das Philadelphia-Eis aus Frischkäse wäre sofort mein Lieblingseis aus der Eisdiele; frisch, leicht säuerlich und schön cremig. Die Äpfel haben wenig Säure und sorgen hier für den zuckrigen Aspekt. Ein schöner Einstieg in den süßen Teil des Abends.
Als Dessert gibt es Topfen-Souffle, Lorbeereis und Kaki. Eigentlich hätte das vegetarische Menü „Exotische Früchte, Pavlova und Koriander“ enthalten sollen. Prinzipiell ändere ich fast nie etwas am Menü. Aber als großer Topfenliebhaber musste ich den Gang aus dem omnivoren Menü einfach probieren. Und es wäre ein großer Fehler gewesen, das nicht zu tun. Das Topfensoufflé ist wunderbar cremig und topfig. Erstaunlicherweise fällt es beim Anstechen nicht in sich zusammen, sondern bleibt trotz großer Luftigkeit sehr dicht. Dazu gibt es ein wunderbares Lorbeereis und sehr intensiv schmeckende Kakistücke.
Zur Begleitung gibt es als Süßwein einen Quarts de Chaume von der Domaine des Baumard an der Loire aus dem Jahr 2007. Eigentlich mag ich süße Weine, aber hier ist es einfach zu viel. Ein fruchtiger Winzersekt hätte wahrscheinlich besser gepasst.
Als Petits Fours gibt es Kaffee-Eis mit gesalzenem Karamell, Doppelkekse mit Maronencreme, Brownies mit falschen Mandarinen und Pekannusskuchen mit Birne. Gerade beim Eis und beim Brownie zeigt die Patisserie noch einmal ihre Stärke. Die beiden anderen Desserts sind mir etwas zu mehlig. Aber vielleicht bin ich nach diesem Menü auch einfach nur satt. Trotzdem bekomme ich noch zwei Pralinen für den Heimweg mit.
Fazit
Das vegetarische Menü von Boris Rommel hat mich begeistert. Ich war mir nicht sicher, ob ein Restaurant, das sich der klassischen Küche mit Gänseleber und der Verarbeitung ganzer Tiere verschrieben hat, ein gutes vegetarisches Menü anbieten kann. Doch meine Bedenken waren unbegründet. Es geht im Le Cerf nicht darum, die feinste vegetarische Gemüseküche mit vielen verschiedenen Geschmacksrichtungen auf den Teller zu bringen. Aus meiner Sicht geht es im Le Cerf darum, den „wahren“ Geschmack der Produkte herauszuarbeiten, wie beim Gang mit dem Topinambur oder dem Rotokohl. Es ist auch eine echte „Wohlfühlküche“, bei der Geschmäcker aus der Kindheit in neuer Form auf den Teller kommen. Ich kann mich an diesem Abend nicht entscheiden, ob die Carbonara oder das Topfensoufflé der bessere Gang war. Beide waren richtig toll und werden mir wohl lange im Gedächtnis bleiben.
Der Service war etwas holprig. Mal wurde die Weinkarte vergessen, mal der Wein zum bereits servierten Gang erst auf Nachfrage eingeschenkt, mal etwas falsch verbucht und mal nicht nachgefragt, ob der Gast, der das vegetarische Menü bestellt hat, vielleicht Vegetarier ist. Diese Punkte haben mich aber erstaunlich wenig gestört. Denn der Service stand zu seinen Fehlern und entschuldigte sich. Zudem war die Stimmung den ganzen Abend über sehr gut, freundlich und entspannt, so dass ich mich von Anfang an wohl gefühlt habe. Auch war der persönliche Service durch Küchenchef Boris Rommel eine willkommene Besonderheit.
Die Weinbegleitung war nicht mein Fall, vielleicht wurde sie deshalb erst auf Nachfrage angeboten. Glücklicherweise ist die Weinkarte im Le Cerf hervorragend sortiert, so dass ich beim nächsten Besuch einfach selbst aussuchen werde. Ich hoffe nur, dass mein nächster Besuch sehr bald stattfindet und nicht wieder etwas dazwischen kommt.
Bewertung
- Essen 10/10
- Service 8/10
- Ambiente 9/10
- Gesamtwertung: 9,5/10
Anschrift
Le Cerf
Wald- und Schlosshotel Friedrichsruhe
Kärcherstraße 12
74639 Zweiflingen
schlosshotel-friedrichsruhe.de