Nachdem wir bereits am Freitag im Essigbrätlein auf hohem Niveau geschlemmt haben, fahren wir am Samstag, den 8. Februar, weiter nach Wirsberg. Unser Ziel: Das Posthotel Alexander Herrmann mit dem „Restaurant Alexander Herrmann“ by Tobias Bätz (2 Michelin Sterne).
Bereits im Vorfeld fällt uns positiv auf, dass das Restaurant standardmäßig neben dem „normalen“ sog. Kontrast-Menü und ein rein vegetarisches Menü namens OFF (ohne Fisch und Fleisch) anbietet.
Wirsberg wirkt auf mich ein bisschen wie aus der Zeit gefallen. Das liegt vor allem an den Auslagen und Schildern der wenigen Läden, die mich irgendwie an die 90er Jahre erinnern. Andererseits hält das kleine Wirsberg an prominenter Stelle mitten im Ort großzügige Ladestationen für Elektroautos bereit. Schöne, moderne Häuser und heruntergekommen wirkende, alte Gaststuben komplettieren den Mix. In Mitten dieser Gemengelage befindet sich nun in einem schönen Fachwerkhaus das Posthotel, das sich seinerseits ebenfalls durch einen Mix aus Moderne und traditioneller Gemütlichkeit auszeichnet.
Alexander Herrmann, Wirsberg
Als wir am Abend im Gourmetrestaurant an unseren Tisch geführt werden, sind wir erstmal überrascht von dem riesigen und total modernen Restaurantbereich. Dieser ist in zwei unterschiedliche Bereiche aufgeteilt und wirkt mit der Raumaufteilung, den geometrischen Lampen und den akzentuiert eingesetzten Accessoires clean und modern – ohne dadurch an Gemütlichkeit zu verlieren. Auf der rechten Seite des Raumes befindet sich ein erhöhter Arbeitstisch, an dem man eine Dame beim Hantieren mit Blumentöpfen beobachten kann. Die zum Gastraum gewandete Vorderseite des Tisches ist verspiegelt und damit ein besonderes Highlight in der Inneneinrichtung. Die rosa Wand dahinter versprüht einen industrialen Shabby-Schick-Charme. Insgesamt bin ich fasziniert von dem Ambiente und würde an sich dafür 10 Punkte vergeben.
Wenn da nicht der Tisch selbst wäre. Obwohl viel Platz vorhanden ist und die Tische großzügig im Raum verteilt sind, gibt es Zweiertische quasi nur in Form von Vierertischen, die in der Mitte mit einer nur leicht erhöhten weißen Trennwand geteilt werden. Gefühlt sitze ich näher an meiner mir unbekannten Tischnachbarin als an meiner mir gegenübersitzenden Begleitung. Zu Beginn des Abends fällt es mir schwer, die Konversation am Nachbartisch auszublenden – gegen später stört es mich nicht mehr so sehr. Trotzdem ist die Anordnung der Tische überhaupt nicht mein Fall, da man zwangsläufig die Unterhaltung am Nachbartisch mithört und umgekehrt auch die eigene Privatsphäre etwas beeinträchtigt ist.
Insgesamt ist der Restaurantbesuch aber unheimlich toll. Sämtliche Personen aus dem Service-Bereich sind extrem freundlich und kompetent. Ausnahmslos alle treffen für mich genau den richtigen Ton; einerseits locker und unprätentiös, anderseits extrem bemüht um das Wohl des Gastes und nicht zu „kumpelhaft“. An vielen Kleinigkeiten zeigt sich, dass sich das Restaurant Gedanken gemacht hat, wie das Restauranterlebnis perfektioniert werden kann. So wird zum Beispiel zu jedem Gang ein kleines Kärtchen auf den Tisch gestellt, auf dem sich Informationen zu dem jeweiligen Gang sowie ein Foto des „zuständigen“ Mitarbeiters finden. Zum Teil wird das Gericht dann von eben dieser Person serviert und erklärt. Aus meiner Sicht ist dies eine geniale Idee. Dadurch werden die Gerichte ganz besonders zelebriert und dem Gast wird auch das Restaurantpersonal auf eine sympathische Art näher gebracht. Mir persönlich geht es ehrlich gesagt häufig so, dass ich bei mündlich übermittelten Informationen einen Teil gar nicht richtig aufnehme und dann schnell wieder vergesse. Von daher helfen mir die Kärtchen nun auch beim Verfassen dieses Berichts und sind eine schöne Erinnerung.
Wir wählen das OFF-Menü und nehmen dazu die Weinbegleitung – wobei ich bei zwei Gängen aussetze. Die Weine sind von der sympathischen Somelier-Dame gut ausgesucht und treffen meinen Geschmack.
Das Menü
Es fängt schon mal gut an mit einem leckeren Sauerteigbrot, das mit einer Butter in Form eines Buddhas serviert wird.
Im Rahmen des Menüs wird immer wieder ein starker Akzent auf Heimatverbundenheit gelegt, was mir gut gefällt. So auch bei den Grüßen aus der Küche. Die Dreier-Kombination „Franken“ enthält typische Bestandteile der regionalen Küche bzw. Zutaten mit Bezug zu Ober-, Unter- und Mittelfranken und ist ein gelungener Einstieg in den Abend.
Auch die Schiefertrüffel Pastete mit Kirsch-Cannelloni schmeckt lecker und stimmt uns mit Vorfreude auf das Menü ein.
Als ersten Gang gibt es gedörrten Feldkürbis mit Ingwerchips, gepickelten Galgantwurzel und Chililaub in Maracuja-Vinaigrette mit Creme vom Eigelb. Ein schöner Einstieg mit einem sehr geschmacksintensiven Kürbis, aber noch etwas langweilig in der Kombination.
Der zweite Gang hingegen ist ein Gedicht. Hier wird wiederum auf die typische fränkische Küche Bezug genommen, indem Bamberger Wirsing mit Rauchmandeln serviert wird. Dazu gibt es ein super leckeres Champagnerroggen-Risotto. Das ganze wird mit einem aromatischen Schmorkraut-Jus übergossen, in den ich mich hineinlegen könnte. Da die Kombination super schmeckt und ich ohnehin ein großer Risotto-Fan bin, ist das für mich ein perfekter Gang.
Es folgt die Herbstkartoffel, eine gegrillte Kartoffel, die zusammen mit einer Art Frischkäse in einem säuerlichen Jostabeeren-Sud offeriert wird. Die säuerliche Note bildet einen Kontrast zum vorherigen Gang und das Gericht ist durchaus interessant. Die Komposition mit der etwas puristischen Kartoffel und der Säure ist aber irgendwie nicht 100% mein Fall.
Nach einem kleinen Beeren-Sorbet mit Rotwein (genannt „Kalte Ente“) in Form einer Ente geht es weiter mit meinem Lieblingsgang des Abends:
Rote Bete auf Salz geschmort mit Kaffeecreme und Pilzen – genauer gesagt mit Essig-Waldpilzen und Pilz-Jus.
In einem separaten Schälchen gibt es rote Bete Udonnudeln. Die Konsistenz der roten Bete, die einen leicht rauchigen Geschmack hat, die perfekten Udonnudeln und die aromatischen Pilze sind einfach wunderbar. Dieses Gericht ist so lecker, dass ich am liebsten nochmal eine Portion davon bestellt hätte.
Es folgt der „fränkische Kochkäse“. Dieser Käsegang besteht aus einem fränkischen Camembert, der von einem würzigen Brotsud umgeben und mit gepickeltem Gemüse, Brotstreuseln und Zwiebelgewächsen garniert ist. Mir gefällt die Idee, einen besonderen Käsegang in das Menü zu integrieren. Der Camembert selber wäre allerdings nicht meine Wahl gewesen.
Als Pre-Dessert bekommen wir jeweils eine süße Lollipop-Eispraline, die in den bereits oben erwähnten Blumentöpfchen serviert werden und selbst auch mit kleinen Blättern garniert sind. Da die Blumen zuvor schon als Dekoration aufgefallen sind, finde ich das eine witzige Idee.
Zum Nachtisch gibt es zwei grundverschiedene Desserts. Das „Hauptdessert“ besteht aus gesalzenem Buttereis mit Fleurs de Sel, Hibiskusbirnensud und Haselnusskuchen. Auf dem Kuchen befinden sich Streusel von der Haselnuss. Diesen Nachtisch hatte ich mir besser vorgestellt. Der Haselnusskuchen und das Eis waren fast ein wenig fad und der Sud für meinen Geschmack zu säuerlich.
Allerdings wurde zusätzlich noch ein als „Oma-Nachtisch“ bezeichnetes Dessert mit übrig gebliebenen Birnen, einer Creme und Streuseln serviert. Obwohl dieser Nachtisch vergleichsweise schlicht ist und meine Beurteilung somit möglicherweise auf meine eher schlichten Geschmacksnerven hindeutet, schmeckt mir der „Oma-Nachtisch“ deutlich besser.
Zum Abschluss des Menüs folgt quasi eine Hommage an die kürzlich verstorbene Gründerin des Posthotels und Großmutter von Herrn Herrmann. Sie ist 104 Jahre alt geworden und war bis zu ihrem Tod im November 2019 im Posthotel zugegen. Ihr Lebensweg wird auf einem schönen alten Servierwagen anhand von Fotos und dazu passenden kleinen Köstlichkeiten nachgezeichnet, welche die verschiedenen Lebensabschnitte symbolisieren (z.B. ein Hochzeitsfoto und dazu ein kleines Stück Küchlein in Anlehnung an die Hochzeitstorte). Der Wagen wird von Herrn Bätz persönlich an jedem Tisch vorbeigefahren.
Außerdem gibt es noch Schnaps mit Bezug zu der Dame, den ich aber vergessen habe. Die Idee mit der Hommage finde ich jedenfalls super süß und originell. Hier zeigt sich nochmals die ganz persönliche Note und eine besondere Herzlichkeit.
Fazit
Insgesamt ist das „Restaurant Alexander Herrmann“ by Tobias Bätz für mich eines der besten Restaurants, in denen ich je gegessen habe. Neben dem fantastischen Essen und richtig guten Weinen wird sichtlich großen Wert darauf gelegt, dass der Restaurantbesuch für jeden Gast ein ganz besonderes Erlebnis wird. Man geht hier in jedem Fall die „Extra-Meile“ und mir gefällt das außerordentlich gut.
Bewertung
- Essen 9,5/10
- Service 10/10
- Ambiente 9/10
- Gesamtwertung: 9,5/10
Anschrift
Posthotel Alexander Herrmann
Marktplatz 11
D-95339 Wirsberg
alexander-herrmann.de