Das vhy! ist mittlerweile eine Institution in Stuttgart. Es schafft es wie kaum ein anderes veganes Restaurant die vegane Küche zu „normalisieren“. Wenn man mit jemandem vegan essen gehen möchte, der bisher wenig mit veganer Küche zu tun hatte, dann sollte man ins vhy! gehen. Ich habe noch niemanden erlebt, der mit dem Essen im vhy! nicht zufrieden war.
Und das, obwohl das vhy! seit seiner Gründung einige Wechsel in der Küchenleitung erlebt hat. Seit Februar 2023 ist nun Timo Kader Küchenchef im vhy! Er ist ebenso wie Betriebsleiter Bjoern Boltz vom (ehemals rein vegetarischen) Bellevue auf dem Killesberg ins vhy! gewechselt.
In Stuttgart gibt es – neben dem vhy! – mittlerweile viele tolle vegane Restaurants, beispielweise das Körle & Adam (schließt leider Ende 2024), das Heaven’s Kitchen, das Super Jami oder das Vegan Soy Club. Veganes Fine Dining gibt es in Stuttgart dagegen nicht und auch in Deutschland ist die Zahl der Restaurants, die rein veganes Fine Dining anbieten, sehr gering. Im Sterne-Bereich gibt es im Restaurant Lafleur, das ich letztes Jahr besucht habe, ein veganes Menü, außerdem bieten Tim Raue und das Bonvivant in Berlin jeweils ein veganes Menü an. Zudem gibt es das rein vegane Seven Swans in Frankfurt. Wegen dieses Mangels an veganem Fine Dining hatte ich mich sehr gefreut, als vor der Eröffnung des Bellevue im September 2020 ein vegetarischer und veganer Fine Dining Pop-Up-Abend im Perkins Park stattfand. Leider hat das Bellevue diese Tradition danach nicht weitergeführt.
Erfreulicherweise bietet das vhy! seit einiger Zeit etwa zwei bis drei Mal im Jahr einen Fine Dining Abend an. Grund genug, dies einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.
vhy! – Fine Dining Event
Von außen sieht das vhy! an diesem Abend – wenig überraschend – aus wie immer. Um 19.30 Uhr ist das Restaurant schon gut gefüllt. Und das ist die erste Überraschung für mich. Das vhy! hat fast alle Plätze besetzt. Knapp 70 Gäste an einem Fine Dining Abend stelle ich mir als Herausforderung vor, sowohl für die Küche als auch für den Service.
Die Tische sind ähnlich gedeckt wie üblich. Nur die größere Anzahl an Besteck weist darauf hin, dass heute Abend etwas Besonderes stattfindet.
Das Menü
Das Menü war bei der Buchung noch geheim und wurde erst einen Tag vor dem Event auf der Instagram-Seite veröffentlicht. Es gibt ein 6-Gänge-Menü, natürlich rein vegan. Das Menü liegt auch zu Beginn auf dem Tisch aus.
Dazu kann man sich eine Weinbegleitung aussuchen. Diese Option nehme ich natürlich gerne an. Zu Beginn des Menüs gibt es noch einen Sekt aufs Haus. So stelle ich mir den Beginn eines schönen Fine Dining Abends vor.
Als Gruß aus der Küche gibt es eine Brunnenkresse-Gurken-Creme und ein Kürbis-Pumpernickel-Brot. Die Brunnenkresse-Gurken-Creme schmeckt wunderbar frisch und auch das Brot hat eine tolle Konsistenz. Das ist kulinarisch ein guter Anfang.
Der erste Gang wird als Petersilienwurzel | Brunnenkresse | Sesam auf dem Menü geführt. Die Petersilienwurzel wird in Tempura mit Sesam gebacken, dazu gibt es eine Petersilienwurzelcreme und die schon aus dem Gruß aus der Küche bekannte Brunnenkressecreme sowie einige Chilicremepunkte. Der Geschmack der Petersilienwurzel in Tempura ist wirklich gut, auch die beiden Cremes passen dazu. Aber für Fine Dining ist das nicht so filigran gearbeitet, wie man es erwarten würde. Ich würde zum Beispiel erwarten, dass man nur die besten Stücke der Petersilienwurzel serviert und nicht auch den harten Strunk.
Außerdem ist die Petersilienwurzel schon ziemlich kühl. Das wird auch bei einigen späteren Gängen der Fall sein. Das mag daran liegen, dass der Service an diesem Abend mit sechs Gängen und einem vollen Restaurant sehr beschäftigt war.
Dazu gibt es einen Riesling Blauschiefer von Loersch, der mir sehr gut schmeckt. Leider schenkt der Service den Wein erst auf Nachfrage ein.
Der zweite Gang nennt sich im Menü Sellerie | Schnittlauch. Der Schnittlauchsud wird – wie so oft bei Fine Dining – am Tisch aufgegossen. Auf dem Teller befinden sich Flädle aus Petersilie, zudem Sellerie und kleine Pilze. Das schmeckt gut, aber nicht überragend, insbesondere die Flädle selbst haben wenig Eigengeschmack. Natürlich muss man immer berücksichtigen, dass es sich um ein veganes Gericht handelt, was das Kochen auf hohem Niveau deutlich erschwert und einen Vergleich mit nicht-veganen Gerichten nicht immer fair macht.
Dazu wird in der Weinbegleitung ein Gelber Muskateller vom Weingut Eimermann ausgeschenkt.
Der dritte Gang besteht aus Kürbis | Blumenkohl | Trauben. Es gibt einen großen Ravioli mit Kürbisfüllung, Blumenkohlcreme, Trauben und Algenkaviar (in der Mitte, schwarz unter den Blättern). Das ist es ein leckeres Gericht. Die Blumenkohlcreme schmeckt gut und ist schön cremig, die Kürbisfüllung ist geschmacksintensiv, und die Trauben geben eine schöne Süße. Die Ravioli selbst sind an manchen Stellen leider etwas zu hart. Aber man merkt, dass die Küche das Niveau steigern kann.
Dazu gibt es vom Weingut Oberhofer einen Rosé aus Cabernet Sauvignon & Merlot von 2022. Ein sehr guter Wein, der gut zu diesem süßlicheren Gericht passt.
Der vierte Gang nennt sich Bete | Cranberry. Unter dem veganen Käse befindet sich ein Rote-Bete-Knödel, dazu etwas Cranberry-Crumble und ein Rote-Bete-Chip. Die vegane Käsecreme schmeckt sehr gut und ist für ein veganes Produkt wirklich beeindruckend. Der Knödel fällt dagegen etwas ab, da er wenig Eigengeschmack hat. Aber auch das ist insgesamt ein gutes Gericht.
Dazu gibt es vom Weingut Karl Haidle den Lemberger Kalk & Ton von 2022, der für einen Lemberger ganz in Ordnung ist.
Der Hauptgang besteht aus Kartoffel | Steinpilz | wilder Brokkoli | Beluga-Linse. Es gibt Steinpilz-Jus, Kartoffelgratin mit Linsen und etwas Brokkoli. Das Steinpilz-Jus ist gut, noch nicht so gut wie zum Beispiel im Körle & Adam, aber intensiv und lecker. Das Kartoffelgratin hingegen ist eher durchschnittlich. So richtig kann ich den Gang nicht nachvollziehen, welche Idee steckte dahinter? Es sieht ein bisschen aus wie die Beilagen zu einem Fleischgericht in einem Wirtshaus. Gerade solche Assoziationen werden normalerweise im vhy! elegant vermieden.
Dazu gibt es den Red Boern 40/40/20 von Bjoern’s Wine, der sehr gut zu der kräftigen Jus passt.
Das Dessert heißt Birne | weiße Schokolade | Walnuss. Es gibt einen Birnenchip, weiße Schokolade mit Birnencreme, Birnenkompott und Ananasgelee. Alles gut gemacht, aber insgesamt ein bisschen viel Birne. Eine weitere Komponente hätte den Teller vielleicht noch einmal auf ein anderes Niveau gehoben.
Dazu passt der Riesling-Kabinett vom Weingut Loersch aus dem Jahr 2022 aber ausgezeichnet. Mit den letzten Schlücken aus dem großzügig eingeschenkten Glas lasse ich den Abend ausklingen.
Fazit
Ich hatte einen sehr schönen Abend, der Service war freundlich und herzlich, die Atmosphäre sehr entspannt und teilweise begeistert.
Ein kulinarisches Fazit fällt schwer. Es ist sicher schwierig, vegan auf hohem Niveau zu kochen. Wenn man dann noch möglichst wenig Zutaten wegwerfen will, also den Zero-Waste-Gedanken anwendet, wird es nochmal komplizierter, weil man möglichst viel der Zutaten im Menü verwerten muss. Jedoch suggeriert der Begriff „Fine Dining“ – zumindest für mich – nicht nur, dass ich ein mehrgängiges Menü bekomme und die Teller hübsch angerichtet sind, sondern auch, dass das Niveau etwas höher ist als üblich. Der letzte Teil meiner Definition wurde leider nicht erfüllt, auch wenn einzelne Gänge etwas herausstachen. Im Ergebnis gab es das übliche Essen aus dem vhy! in etwas anderer Aufmachung. Der Hauptgang lag sogar eher unter dem normalen Niveau.
Dazu kamen noch Probleme im Service, teilweise zu kalte Speisen, zu spät ausgeschenkte Weinbegleitung oder vergessene Erklärungen zum Menü oder zum Wein. Das kann man natürlich bei einem ausgebuchten Restaurant und einem Team, das solche Abende normalerweise nicht macht, durchaus entschuldigen; vor allem wenn der Service sehr freundlich ist. Von „echtem“ Fine Dining ist man dann aber auch im Service ein Stück weit entfernt.
Gleichwohl hoffe ich, dass man beim vhy! diese Konzept beibehält und daran arbeitet. Das ausgebuchte Restaurant hat gezeigt, dass ein großes Interesse daran besteht.
Anschrift
vhy! Restaurant
Reinsburgstraße 13
70178 Stuttgart
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